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Aktuelles

17. Stifterratversammlung am 13.04.2023: Leitung durch den Stifterrepräsentanten Titus Malms

Stiftungsrat-Versammlung am 13. 4. 2023, Begrüßung durch Titus Malms:

 

Ich begrüße in meiner Funktion als Stifterrepräsentant den Herrn Bürgermeister Blome zusammen mit den anderen Vorstandsmitgliedern, die Stifterinnen und Stifter, die Vertreter der Medien sowie alle weiteren Gäste, insbesondere aber Frau Staatsopernintendantin Laura Berman und Herrn Kurdirektor Dr. Fischer. Ich weise darauf hin, dass die Begrüßung durch den Stifterrepräsentanten nicht zufällig, sondern satzungsgemäß geboten ist.

 

Der nach dem Kriege eine Zeitlang in Bad Pyrmont wohnende Komponist Hans-Werner Henze dessen erste Symphonie hier uraufgeführt wurde und der dann später als bedeutendster deutscher Komponist der Gegenwart weltweit bekannt wurde, hat einmal über die Musikalität Mozarts folgendes geschrieben: „Er hat die Sprache seiner Epoche bis zum Zerbrechen gespannt und ihrem Ende nahegebracht, mit den feinsten, herbsten, tiefsten und höchsten Klängen, die ein menschliches Ohr vernommen hat, dem Leichtesten und Schwermütigsten – mit dem schweren, nachtstückhaften, süßen Wohllaut der Bläser, mit unendlich feinen Muskelspiel der Streicher, den vollkommensten Vokalensembles, mit hellen triumphierenden Trompeten und Pauken.“ Wohl selten ist mit so viel Superlativen so wenig übertrieben worden. Warum zitiere ich das?

 

Weil man nämlich auch ein Ohr dafür haben muss! Man kann es noch so oft von der Platte gehört haben: Wenn man dann aber im Konzertsaal sitzt und zum ersten Mal hört und sieht wie Mozarts Jupiter-Symphonie, wie Beethovens Eroica oder Schuberts Unvollendete musiziert wird, kommt das einer Offenbarung gleich. Abend für Abend ereignet sich in Deutschland dieses Wunder; landauf landab spielen Dutzende famose Orchester auf Spitzenniveau, kommen hunderte Opernballette und Singspiele auf die Bühne – ein schwindelerregender Reichtum, der in der ganzen Welt seinesgleichen sucht. Die Hälfte der Opernhäuser weltweit steht zwischen Aachen und Zwickau, München und Flensburg, 81 an der Zahl und dazu 129 Konzert- und Opernorchester. Und zudem wurden viele der großen Orchester der Welt auf Initiative deutscher Auswanderer gegründet.

 

Die ganze Welt beneidet Deutschland um diesen einzigartigen Reichtum, man muss nur einmal mit einem ausländischen Besucher sprechen. Die Deutschen wissen kaum, welchen Reichtum sie vor ihrer Haustür haben. Die Musikbühnentheater und Orchester haben im 20. Jahrhundert zwei Diktaturen, Revolutionen und Inflationen überlebt und zwei Weltkriege obendrein. Sie sind aus den Ruinen wieder auferstanden, weil sie im öffentlichen Bewusstsein als unverzichtbar galten. Jetzt auf einmal ist in einem der reichsten Länder der Welt das mit Abstand älteste Musikbad Deutschlands nach über 317 Jahren schlagartig entschlafen. In der ganzen Debatte über den niedrigsten Stand, den die Sonne der Kultur in dieser Stadt jetzt erreicht hat, ist das noch nicht so deutlich ausgesprochen worden. D.h., dass neben dem verständlichen Bedauern und Betrauern über das unglückliche Ende der Zusammenarbeit zwischen Staatsbad und Theater-Company, die Tradition des ersten und ältesten Standbeins der Pyrmonter Kultur bislang so gut wie gar nicht zur Sprache gekommen ist: Nämlich die des Musikbades Pyrmont. In der Präambel der Satzung der Musikbad Kulturstiftung heißt es: 

 

Es ist das erklärte Anliegen der Stifter, das Musikleben in Bad Pyrmont zu fördern und deren bestehende Einrichtungen zu erhalten. Dabei soll es zu einer Förderung der Musik von der Ausbildung bis zur Aufführung kommen. Dies kann durch materielle Zuwendungen und geistige oder personelle Unterstützung geschehen.

Indem die Stiftung ausschließlich fördernd dabei mitwirkt, die geschichtlich gewachsene Musikkultur Bad Pyrmonts durch neue schöpferische Projekte zu bereichern, soll die unverzichtbare Bedeutung der Musik für eine lebenswerte Welt erfahrbar gemacht werden. Dieser hohe Anspruch der Kulturstiftung wird durch die Schirmherrschaft der Niedersächsischen Staatsoper Hannover unterstrichen. Wir freuen uns, dass wir nach den Herren Puhlmann und Klügl, heute Frau Berman persönlich unsere Reverenz erweisen können! Sie erkennen aber alle, dass ich nun ein Problem den Stifterrinnen und Stiftern gegenüber habe, die mir viele Tausend DM in dem guten Glauben gegeben haben, dass damit genau die von mir gerade zitierten Präambel-Ziele realisiert werden. 

 

Ich spreche hier als Erst­stifter der Musikbad Pyrmont Kulturstiftung, der ihr zwölf Jahre lang als amtierender Vorsitzender und schließlich auch als Stifterrepräsentant seine Kraft gewidmet hat. Diese Arbeit hat mich beglückt und darin bestärkt, dass der kulturelle Rang Bad Pyrmonts unbedingt durch die kontinuierliche Pflege seines bedeutenden musikalischen Erbes erhalten werden muss. Durch die Schließung des großen Konzertsaals und seine völlig ungewisse Zukunft und in Verbindung mit der gänzlich offenen Entwicklung um das Kurtheater ist es zumindest zweifelhaft, ob nach genau 20 Jahren der vorgesehene Zweck der Stiftung auch in der Zukunft überhaupt noch satzungsgerecht ermöglicht werden kann. 

 

Entgegen des 1922 auf der Grundlage von Bürgerstolz und Bürgertugend gegründeten Staatsvertrages zwischen Preußen und Waldeck-Pyrmont hat der vormalige Finanzminister der Landesregierung – ich sage nicht der Geschäftsführer der Staatsbad GmbH – sondern der Finanzminister hat dieses Erbe der Hochkultur ausgeschlagen. Mit der Konsequenz, dass damit die hier in Jahrhunderten gewachsene einzigartige Symbiose von überregional bewunderter anspruchsvoller, niveauvoller Kur und Kultur vor unser aller Augen auf offener Bühne ruiniert und zu Grabe getragen wird. Der neue Finanzminister beherrscht nun offenbar die Kunst, mit schönen Worten das zu verschweigen, was mit einer einzigen Zahl Überzeugungskraft erlangt hätte! Nullen die vorne stehen, sind bekanntlich ohne Wert, bei der Sanierung unserer Liegenschaften kommt es aber auf die Nullen an, die hinten stehen. Doch die sieht man leider nicht.

 

Über all das hätte von Seiten der Stiftung längst öffentlich kritisch gesprochen und breit debattiert werden müssen! Ich habe 2016 das Amt des Vorsitzenden abgegeben. Der jetzige Vorsitzende Herr Arndt Jubal Mehring hat in verschiedenen internen Gesprächskreisen stets versucht, unsere Interessen zu vertreten. Er hat aktiv unsere Musikszene belebt und dabei viel lobenswertes Engagement bewiesen, das selbstverständlich Anerkennung verdient hat. Ich erinnere nur an das Wassermusik-Festival im Oktober 2021. Aber er hat auch ein Problem, dass seinen diesbezüglichen Aktivitäten natürliche Grenzen setzt. So muss er immer wieder beträchtliche Kräfte mobilisieren, um die Finanzierung der Musikschule politisch abzusichern. Das korrespondiert zugleich mit seiner Bitte, ihn zum Musikdirektor zu ernennen, wie ich der aktuellen Beschlussvorlage für den Rat entnehme. Nach der glanzlosen Entlassung von Herrn Kovacs hat er außerdem noch das Management der neuen musikalischen Aktivitäten des Staatsbades übernommen, er kümmerte sich bisher um das Programm der Arche-Kammermusik und hat zusätzlich noch einen Förderverein der Musikschule gegründet. Dabei war es aber nicht zuletzt das Anliegen der Kulturstiftung gewesen, die Adresse zu sein, über die in Zukunft alle Gelder geleitet und den konkreten Stiftungszwecken zugeführt werden sollten. Eben z. B. auch nur der Musikschule. 

 

Bei Anerkennung dieser Verhältnisse und dieser Abhängigkeiten kann er infolgedessen nicht immer so freimütig auftreten, wie ich das beanspruchen darf. Als Folge der beschriebenen Situation, die durch die Corona-Krise noch zusätzlich verschärft wurde, bedauere ich natürlich die Tatsache, dass die Kulturstiftung seit Jahren nicht mehr in der Presse vorgekommen ist und keine neuen Stifter bzw. Stiftungsgelder mehr gewonnen werden konnten. Umso mehr dürfen wir uns aber auch über eine aktuelle positive Entwicklung freuen, die heute noch zur Sprache kommen wird.    

 

Hingegen muss ich leider noch eine Tatsache ansprechen, mit der man meiner Seele auf die Füße getreten und mir eine völlig unvorhersehbare Enttäuschung bereitet hat. Ich habe erleben müssen, dass es mir nicht gelungen ist, die von mir im Einvernehmen mit meinem Vorstand seinerzeit mit großem Engagement angelegte Webseite der Stiftung aufzurufen! Darauf bin ich erst durch eine Person aufmerksam gemacht worden, die das auch vergeblich versucht hat, um für ihre Spende unser Bankkonto herauszufinden. Die ganze umfangreiche Gründungs- und hoch-interessante Entwicklungsgeschichte der Stiftung und mehrere Dutzend meiner Beiträge, die ich innerhalb von zwölf Jahren dokumentiert hatte, alle Vorträge, alle Grußworte, alle Protokolle, alle Tätigkeitsberichte und Ausführungen zur Pyrmonter Musikgeschichte, meine nicht erfolglos verlaufende Amtszeit von Null bis hin zu den Aufwendungen für die Konzerthausorgel und den Blüthner-Konzertflügel mit zusammen 150.000,- € oder die diversen organisierten musikalischen Höhepunkte, bis hin zur neunten Sinfonie: Alle darauf bezogenen Beiträge sind ohne Vorstandsbeschluss zum Nachteil der Mission und Bedeutung der Kulturstiftung im Internet nicht mehr aufzufinden und damit für die Öffentlichkeit verloren. Tatsachen haben die Eigenschaft, eines Tages herauszukommen.

 

Es handelt sich nicht um irgendeine Nachlässigkeit, denn es ist für die Stiftung ein objektiver Bedeutungsverlust entstanden. Mit Dank musste ich ja nicht rechnen, aber es hat mich schon getroffen, nun noch zu Lebzeiten mit Gustav Mahlers Lied spüren zu müssen: „Ich bin der Welt abhanden gekommen“. Das alles trifft mich sowohl in meinen Rechten als Autor als auch als Stifterrepräsentanten, der die Interessen aller Stifter im Vorstand zu vertreten und ebenso zu überwachen hat. So muss ich am Ende meines Lebens erleben, wie in Bad Pyrmont die mühsam geschaffenen Strukturen von außen zerbrochen und auch noch von innen ausgehöhlt werden. Neben der persönlichen Betroffenheit hat mich vor allem der Verlust des im Digitalzeitalter unentbehrlichen öffentlichen Auftritts schockiert. Aufgrund der eingetretenen Marginalisierung unseres Markenkerns ist mein Vertrauen futsch.

 

Wenn ich zum Schluss wieder auf das gesamte Pyrmonter Panorama blicke, ist es nicht meine Aufgabe und auch nicht meine Absicht, schlaue Patentrezepte abzuliefern, um die wirtschaftlichen und politischen Steine des Anstoßes, die in diesem Kurort den Bestand der Kultur behindern, aus dem Wege zu wälzen. Ich darf aber nüchtern feststellen, dass im Kampf der Meinungen und Interessen inzwischen hier ein großes Talent entwickelt worden ist, gegeneinander zu arbeiten. Man hat die Kunst perfektioniert, Probleme nicht zu lösen und schafft damit neue und größere. Nur in einer gesunden Gesellschaft kann mit Vernunft Einsicht und guter Wille entstehen. Vernunft ist übrigens überparteilich, aber leider eine nicht allzu weit verbreitete menschliche Eigenschaft. Nicht fabelhafte Einzelideen werden uns retten, sondern nur gemeinschaftliches Handeln, nicht Worte, sondern gemeinsame Taten. Nicht das öde, bisher nachweislich nicht funktionierende Gegeneinander bringt uns weiter, sondern nur der Entschluss zum Bekenntnis der Gemeinsamkeit und ihre Verwirklichung in einem verantwortungsbewussten Füreinander. Um mit Daniel Barenboim zu sprechen: „Wir müssen endlich begreifen, dass wir entweder gemeinsam gesegnet oder dass wir gegeneinander zum Untergang verdammt sind.“ Nur solidarische Anstrengungen aller Kräfte werden also das Wunder vollbringen können auf das wir alle schon so lange vergeblich warten. Aber – wer glaubt in Bad Pyrmont seit dem letzten Wunder (geläuf) von 1556 noch an Wunder? Für Wunder muss man bekanntlich beten, für den Um- und Aufschwung muss man aber arbeiten. Damit man endlich wieder wie Nietzsche erkennt: „Ohne Musik  wäre das Leben ein Irrtum.“!

 

Ich danke, dass Sie mir zugehört haben. – Wir treten nun in die Tagesordnung ein.